Rheinsagen II: Lovestory mit Happy End auf der Pfalzgrafenstein

Mitten im Rhein, vor der Stadt, erhebt sich auf der Wasserfläche ein längliches Gebäude, schmal und von hoher Mauer umgeben, dessen Vorder- und Hinterteil, wie Schnabel und Heck eines Schiffes in den Wellen stehen. Dieses steinerne Schiff, ewig auf dem Rhein schwimmend und ewig vor der pfalzgräflichen Stadt vor Anker, dieser Palast ist die „Pfalz“ (Victor Hugo über die Burg Pfalzgrafenstein in seinem Reisebericht Rheinreise aus dem Jahr 1840).

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Die kleine Burg Pfalzgrafenstein liegt wie ein Schiff im Anker mitten auf einer Sandbank im Rhein auf der Höhe des kleinen Dörfchens Kaub. Auf der Suche nach den schönsten Sagen und Legenden, die uns Vater Rhein zu erzählen hat, kann ich an der kleinen Wasserburg nicht vorbei. Ein Fährmann, der sich scherzhaft als Dr. Kimble auf der Flucht vorstellt, fährt mich hinüber auf die Rheininsel. Hier soll sich eine der rührensten Liebesgeschichten des Mittelalters abgespielt haben. Doch dazu gleich mehr. Der Möchtegern Harrison Ford erzählt, dass er früher die großen Frachtschiffe durch die felsigen Klippen an der gefährlichen Loreley gelotst hat. Seit man die Felsen gesprengt hat und die Schifffahrt im Rhein sicherer geworden ist, fährt der angebliche Dr. Kimble auf der Flucht Touristen von Kaub zur Pfalzgrafenstein hinüber. Der Fährmann und sein Boot – ein altes Motiv aus der Sagenwelt (schon in Homers Odysee). Zwei Minuten später steige ich auf der Sandbank aus, auf der die Pfalzgrafenstein schon seit Jahrhunderten thront. Erbaut im dunklen Mittelalter, 1327, in der Zeit der Ritter und Burgen. Sie sollte als Zollburg dienen. Denn zu dieser Zeit mussten alle Händler auf ihrem Weg vom Norden nach Süden, von Westen nach Osten irgendwie durch den Rhein, um ihre Waren zu transportieren. Der Erbauer, Ludwig der Bayer, ließ sich das natürlich kräftig in Form von Steuern entlohnen.

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Mit dem Fährmann „Dr. Kimble auf der Flucht“ auf die Rheininsel zur Pfalzgrafenstein

Zurück ins Mittelalter – auf der Rheininsel in der Pfalzgrafenstein

Zeitreise zurück ins dunkle Mittelalter. Vor der Burg wartet eine Magd aus dem 14. Jahrhundert auf mich. In ihrer Zipfelmütze versteckt sie ihr Geld vor Raubritterübergriffen. Ihr einziger Besitz, ein Holzlöffel, den sie immer am Leib trägt, um ihre Suppe zu löffeln. Nach ihrem Tod, wird sie ihn an ihre Nachfahren vererben, denn Menschen im Mittelalter besaßen nur einen einzigen Löffel im Leben und der wurde weitervererbt, wenn man das Zeitliche segnet. Daher kommt übrigens die Redewendung: Den Löffel abgeben, was gleichbedeutend ist mit über den Jordan gehen, also sterben.

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Dann steigen wir die Holztreppe hinauf, die durch das Eingangstor zur Pfalzgrafenstein führt. Die gab es freilich im Mittelalter noch nicht. Das Tor davor aber schon. Auf der Pfalzgrafenstein lebten nur Männer, bewachten den Rhein, das tägliche Fließen stromauf- und abwärts, spielten Karten und tranken Wein. Wenn ein Schiff den Strom herunter gefahren kam, hieß es auf Position zu gehen. Oben sind noch die Schießscharten zu sehen, für die Ritter, die mit Pfeilen auf die Boote zielten. Hielten sie nicht an, um ihren Tribut zu zollen, traf sie die Pfeilspitze, abgeschossen von der Turmspitze der Pfalzgrafenstein.

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Und was passierte mit denjenigen, die den Zoll prellen wollten? Sie wurden kurzerhand ins Verlies gesteckt, ein dunkles Loch, Rücksicht auf Knochenbrüche: Fehlanzeige. Das Mittelalter kannte keine Gnade. Den Schiffern war gut geraten, ihren Zoll brav zu zahlen, wenn sie hier an der Zollstation der Pfalzgrafenstein aus dem 14. Jahrhundert vorbei kamen. Oben auf den Dachboden des Turmes wurden die Schätze von den Rheinschiffen gelagert: Truhen voller Kostbarkeiten, Wein und Waren aus ganz Europa. Es war eine raue Männerwelt auf der Pfalzgrafenstein, kein Ort der Gnade, kein Ort der Freundlichkeit, die Winter eisig kalt, wenn der Wind durch die Ritzen der Burgmauern zog. Doch eines Tages wurde die Burg mehr. Ein Schauplatz politischer Vereinigung. Und all das, weil in diese Männerwelt plötzlich eine Frau eintrat.

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Hier geht`s abwärts ins Burgverließ auf der Pfalzgrafenstein.

Wie sich Agnes von Pfalzgrafenstein mit List ihren Traumprinzen angelte

Pfalzgraf Konrad von der Burg Stahleck über Bacharach am Rhein profitierte nicht nur von den Zollgebühren der Pfalzgrafenstein, er hatte auch eine wunderschöne Tochter: Agnes. Wie es damals war, wollte er Agnes natürlich möglichst in beste Kreise verheiraten. Die Schönheit von Agnes war in ganzem Land bekannt und so kam es, dass einige edle Ritter um die schöne Agnes freiten. Agnes aber hatte nur Augen für den verfeindeten Welfenherzog Heinrich der Löwe von Braunschweig. Nie und nimmer wollte der alte Pfalzgraf seinen Segen zu dieser Verbindung geben, was ihn auch in Ungnade bei seinem Herrn, Kaiser Barbarossa gebracht hätte. Heinrich aber verdrehte der schönen Agnes so sehr den Kopf, dass sie ihre Mutter ins Vertrauen zog. Die Mutter hatte Mitleid mit dem einzigen Kind. Als der alte Pfalzgraf die weibliche Solidarität mitbekam, wurde er so wütend, dass er Agnes und ihre Mutter kurzerhand in das Turmzimmer der Pfalzgrafenstein sperren ließ. Bewacht von den Zöllnern der Burg, mitten auf dem Fluß mit seinen gefährlichen Stromschnellen, umgeben von Wasser und Nichts.

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Daraufhin ließ die Mutter einen Booten nach Heinrich schicken, der kam angeblich im Mondschein mit einem Floß angefahren auf die Burg. Die Begegnung der beiden Liebenden blieb nicht ohne Folgen. Schon bald war die schöne Agnes in freudiger Erwartung. Als der alte Pfalzgraf das erfuhr, soll er so laut geschriehen haben, dass die Bürger in Kaub noch seine Flüche hören konnten. Voller Scham zog er zu Kaiser Barbarossa um ihm die Schmach zu beichten. Wider erwarten freute sich der Kaiser mit dem roten Bart aber über die Verbindung von Agnes und Heinrich, weil es somit endlich Frieden zwischen den verfeindeten Reichen, der Pfalz und Braunschweig, gab. Einzige Bedingung war, dass Barbarossa Taufpate des Kindes wurde. Eine Lovestory mit Happy End – das ist wirklich einzigartig für das Mittelalter. Für die Rheinromantiker war diese Legende natürlich ein absolut romantisches Ideal, weshalb die alte Pfalzgrafenstein zum romantischen Sinnbild stilisiert wurde und in zahlreichen Reiseberichten der Rheinreisenden des frühen 19. Jahrhunderts erwähnt wurde, so wie beispielsweise in Victor Hugos Aufzeichnungen. Agnes jedoch brachte in dem Turmzimmer, in dem sie und ihre Mutter eingesperrt wurden, einen gesunden Erben zur Welt. Eine alte Heiratsurkunde besagt, dass die beiden tatsächlich auf Burg Stahleck vermählt wurden. Eine Rheinsage mit Happy End und ein Hoch auf die List, mit der sich Agnes den Traumprinzen geangelt hatte. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…. jedenfalls im Mythos und in den Geschichten, die wir so gerne hören.

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Wenigstens gab es einen Kamin im Turmzimmer der Pfalzgrafenstein – der einzige.

 

Vielen Dank an  Romantischer Rhein Tourismus für die Einladung zu dieser Recherchereise.

Literatur zu den Rheinsagen:

  • Rhein-Sagen – Vater Rhein erzählt, rahmel-verlag
  • Rheinische Sagen und Geschichten, J.P. Bachem Verlag (Begleitbuch zum Rheinischen Sagenweg)
  • Schwein gehabt – Redewendungen des Mittelalters, Gerhard Wagner, Regionalia Verlag

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