Rheinsagen I: Die Seele Deutschlands liegt im Rhein – Eine Wanderung zum Loreley-Felsen

unterwegsunddaheim.de Loreley-Felsen bei St. Goarshausen am Rhein

Tief unten im Tal schlängelt sich der Rhein um Kurven, um Felsen. Bizarre Gesteinsbrocken an den felsigen Schieferwänden verkleiden diese Landschaft in ein wildromantisches Bild. Wäre es nicht die Realität, die sich vor meinen Augen auftut, hätte man denken können, man stehe in einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Kein Wunder, dass die Sehnsucht hier mit einem durchgeht. Kein Wunder, dass genau an dieser Stelle kein Dichter vorbei kam, um einen Vers zu hinterlassen. Die Rheinromantiker, sie schmachteten bei diesem Anblick dahin. Sie machten das Tal mit ihren Gedichten im 18. Jahrhundert in aller Welt bekannt. Sie sind Schuld daran, dass dieses Tal mit seinen Burgen, seinem Fluß und diesen Gesteinsbrocken noch heute Touristen aus aller Welt anzieht. Nur bei uns Deutschen, zieht das irgendwie nicht so recht. Ich stand am Rande des Grand Canyons und ich ritt durch die Felsmonolithen im Monument Valley, ich wanderte durch den Bryce Canyon und durch das Karstgebirge in Guillin und dann fahre ich eine Stunde von zuhause raus an den Rhein, um hier oben auf dem Loreley-Felsen zu stehen und genau das gleiche thriumphale Gefühl zu erleben, das ich von den anderen Canyons her kannte. Wenn jemand diese Bilder sehen würde, würde er glauben, dass dies mitten in unserem schönen Deutschland ist?

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Touristen aus aller Welt pilgern hier her, wegen eines Mythos oder vielleicht, weil sie auf der Suche sind, nach der Romantik. Der Rheinromantik. Und da kommt man am Loreley-Felsen nicht vorbei.

Zu Bacharach am Rheine

wohnt eine Zauberin,

sie war so schön und feine

und riß viel Herzen hin.

(Clemens Brentano, 1801, Lore Lay)

Zum berühmten Loreley-Felsen führt eine Straße hoch, oben gibt es einen Parkplatz und ein Besucherzentrum. Von hier aus wandern wir zum Loreley-Felsen. Dem sagenumwobenen Gesteinsbrocken, dem soviele Legenden zugrunde liegen. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick über das Rheintal. Schiffer fürchteten diese Stelle am Rhein schon immer, da sie besonders eng, tief und felsig ist und die Strömung die Boote abtreibt. Es ist die gefährlichste Stelle des 1.240 kilometerlangen Stroms, der durch den Bodensee fließt und von dort sich seine Bahnen bis in die Nordsee sucht. Er ist der größte deutsche Fluss, der Vater Rhein, und seit Jahrtausenden ein wichtiges Grenzgebiet und eine der wichtigsten Handelsstraßen in Europa. Ich stehe hier oben und beobachte die Touristenschiffe und die Frachter, die von hier oben wie Streichhölzer aussehen. Noch immer scheint der Rhein hier sein Spiel mit den Kapitänen zu führen, noch immer kämpfen sich die Boote durch diese enge Stelle, werden abgetrieben von den Strömen des Rheins. Noch immer passieren Unfälle, treiben Schiffe ab bis in die Vorgärten der Bewohner von St. Goarshausen. Die Schiffer, die vor Jahrtausenden hier durch mussten, stießen Gebete aus und fanden für die Gefahr und ihre eigene Angst davor schnell einen Sündenbock: eine schöne Zauberin, die mit ihrer Grazie und ihrem Gesang die Sinne der Männer vernebelte, so dass sie auf Grund liefen, ihr Schicksal besiegelt, in den Tod gelockt von einer singenden Jungfrau. Das Echo hier oben ist kristallklar. Ab und zu hört man Güterzüge aus Osteuropa durch das Rheintal knattern, „der Rhein war schon immer eine wichtige Handelsstraße und das ist heute noch so, über den Verkehr dürfen wir uns nicht beschweren“, sagt Katharina. Die Aussicht entlohnt einen dafür.

unterwegsunddaheim.de Loreley-Felsen bei St. Goarshausen am Rhein

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Heute sitzt die Loreley als Bronzestatue auf einer Sandbank im Rhein und erinnert noch immer an die alten Sagen und Legenden, die Vater Rhein uns hier erzählt

 

Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh‘.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.

Loreley-Lied von Heinrich Heine

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Natur und Kultur das findet man im Romantischen Rheintal wie hier am Wegesrand auf dem Rheinsteig

Wir wandern vorbei an den Weinhängen des Rheintals und weiter über Wiesen, auf denen Margeriten blühen. Irgendwelche Künstler haben auf diesem Pfad ihre Spuren hinterlassen. Merkwürdige Gebilde am Wegesrand – so ein Unfug, als hätte es diese Landschaft verdient dermaßen entstellt zu werden, wo doch alles in natura so idyllisch ist! Hinter jeder Wegbiegung scheint sich der Blick auf das Rheintal selbst übertrumpfen zu wollen.

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An dem Aussichtspunkt am Leiselfeld wartet eine kleine Überraschung auf mich. Liebe Menschen haben mich hier mit einem kleinen Picknick mit Wein von den Reben an den Schieferhängen und hausgemachten Kuchen überrascht. Was könnte es Stimmigeres geben als den guten Rheinwein hier oben auf der Loreley zu trinken, in Gedanken summt immer wieder ein Vers von Heinrich Heines Loreley-Lied – dem deutschesten aller Lieder. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“ usw. Ja, an dieser Stelle da unten, da liegt die Seele Deutschlands im Rhein schon seit Jahrtausenden und spätestens seit Siegfried hier sein Rheingold versenkt hat. Mit Kuchen und Wein gefällt mir das Rheintal noch besser und wer weiß, wenn ich noch ein paar Schlückchen trinke, vielleicht fange ich dann auch an Verse zu dichten….

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Atemberaubend schön: Am Spitznack auf dem Rheinsteig zum Loreley-Felsen

Am Spitznack läuft die wilde Felsenromantik zum Höhepunkt auf: Schieferbrocken, in schwindelerregenden Höhen. Ich wage mich auf den obersten Steinsockel und halte es aufgrund meiner Höhenangst ganze zwei Minuten dort aus. Unbeschreiblich was sich die Natur hier geleistet hat, wenn man an so einem Punkt wie diesem steht, fühlt man sich rundum zufrieden, all die traurigen Gedanken, von denen die Rheinromantiker sangen, sie verschwinden, wenn man es bis hier her geschafft hat. Durchatmen und Triumph genießen, ein Selfie als Beweis machen und in die Weite des Tales schauen. So muss es auch den Dichtern ergangen sein als sie ihre Mythen in alle Welten hinaus verteilten. Die Sirene vom Rhein – die schöne Loreley, sie stürzte sich in dem Märchen von Clemens Brentano hier aus Liebeskummer in den Rhein, drei Ritter, die sie begleiteten, folgten ihr in den Tod und wurden zu Stein. Vielleicht kann man ihr wehmütiges Klagen noch immer hören, wenn man still vom Felsen über das Tal blickt.

Loreley-Felsen bei St. Goarshausen am Rhein

Im Hintergrund sieht man den Loreley-Felsen und die Bronzestatue der Loreley auf der Sandbank im Rhein bei St. Goarshausen

Loreley-Felsen bei St. Goarshausen am Rhein

Der Loreley-Felsen von unten am Rhein bei St. Goarshausen

 

Info zum Wanderweg Rheinsteig von Kaub zum Loreley-Felsen

  • Die Strecke ist ein kleiner Teil des Premium Wanderweg Rheinsteig, der von Wiesbaden bis ins Siebengebirge bei Bonn führt. Man kann den Trail in kleinen Etappen gehen.
  • Für die Etappe von Kaub zum Loreley-Felsen und dem Loreley Besucherzentrum bei St. Goarshausen sollte man jedoch gutes Schuhwerk und eine gewisse Kondition mitbringen, da der Weg an manchen Strecken doch eine gewisse Steigung hat.
  • Wer nicht so weit wandern will, kann die Strecke vom Besucherzentrum zum Loreley-Felsen und zum Spitznack wählen, die Wege hier sind gut begehbar. Dauer für diese Strecke, ca. 1 Stunde.
  • Im Besucherzentrum an der Loreley erhält man Infos, Karten und Literatur zum Rheintal und den Rheinsagen. Den Rheinsteig-Wanderweg gibt es auch als GPS-Tour und App von den Gastlandschaften Rheinland-Pfalz.
  • Das Obere Mittelrheintal gehört aufgrund seiner Einzigartigkeit seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe

Adresse: Besucherzentrum auf dem Loreley-Felsen

Auf der Loreley (Loreleyplateau)

56346 St. Goarshausen

Tel.: +49 (0)6771 599093

Öffnungszeiten: 10 bis 18 Uhr

 

Literaturempfehlung zu den Rheinsagen:

  • Rhein-Sagen – Vater Rhein erzählt, rahmel-verlag
  • Rheinische Sagen und Geschichten, J.P. Bachem Verlag (Begleitbuch zum Rheinischen Sagenweg)
  • Clemens Brentano Lore Lay, ein Märchen, geschrieben 1801, Brentano greift den Urmythos um die Zauberin Loreley auf – eine uralte Legende
  • Heinrich Heine Das Lied von der Loreley, 1824, Heine greift Brentanos Märchen auf („ein Märchen aus uralten Zeiten“), das Gedicht wird später von Friedrich Silcher vertont und geht um die Welt

Loreley Unterwegsunddaheim

 

Mehr Geschichten und Erlebnisse vom Rhein gibt es hier:

 

Vielen Dank an die Romantische Rhein GmbH für die Einladung St. Goarshausen und die tollen Aussichten vom Loreley-Felsen!