Goethe Spaziergang durch Frankfurts Wälder

Der alte Dichter und die Muse vom Main

Frankfurt. Ein Spaziergang. Wo sind sich der alte Goethe und die junge Marianne von Willemer zum ersten Mal begegnet und wo haben sie ihre tiefe Freundschaft fortgeführt? Lief da was zwischen den beiden? Dies und mehr habe ich auf meinem Sonntagmittags-Kulturspaziergang durch den Frankfurter Stadtwald erfahren. Wenn schon Sonntagnachmittags-Spaziergang dann mit ein bisschen Kultur hab ich mir gedacht und eine Stadtführung gebucht.

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Frankfurt Goethe-Haus am Großen Hirschgraben

Laut eigenen Aussagen wurde Goethe mit dem Glockenschlag mittags um zwölf am 28. August 1749 im Haus am Großen Hirschgraben in der Frankfurter Innenstadt geboren. Vielleicht wissen das nicht viele Deutsche, Japaner und Chinesen aber reisen deswegen extra nach Frankfurt. Auch wenn der berühmteste Sohn der Stadt und Dichterfürst seiner Geburtsstadt später am Hof von Weimar beschäftigt war, stattete er Frankfurt immer wieder einen Besuch ab.

 

 

Unser Goethe Spaziergang beginnt am Willemer Gartenhäuschen in Frankfurt Sachsenhausen, genauergesagt in dem edlen Wohnviertel auf dem Mühlberg. Fast wäre ich an dem Gartenhäuschen vorbeigelaufen, das inmitten schmucker Neubauten mit BMWs vor den Türen steht. Das Gartenhäuschen ist ein Schiefertürmchen inmitten eines Garten, der ganz nach Goethes Art angelegt wurde (ein bisschen wie im Haus am Frauenplan in Weimar).

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Das Willemer Gartenhäuschen in Frankfurt auf dem Sachsenhäuser Mühlberg

Zu Goethes Zeiten, wanderte man von der Stadt aus über den Main um vom Mühlberg eine tolle Aussicht auf Frankfurt und bis in den Taunus hinaus zu haben. Wo heute Wohnhäuser stehen, waren zu Goethes Zeiten Weinberge. Die reichen Famlien Frankfurts leisteten sich hier oben gern ein Gartenhäuschen, so auch Baron Johann Jakob von Willemer. Der Baron leistete sich mit seinem Geld nicht nur das Gartenhäuschen, sondern auch die 16-jährige Schauspielerin Marianne als seine „Gefährtin“.  Bei einem Besuch Goethes in Frankfurt lernt der Dichter das Paar kennen, kurz darauf heiratet der Baron Marianne nach über 12 Jahren „wilder Ehe“, was das genau jetzt mit Goethe zu tun hat?  Am 18. Oktober 1814 lud der Baron von Willemer Freund Goethe zur Gartenparty im Gartenhäuschen, um den ersten Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig zu feiern. Während Leuchtraketen und Feuer auf den umliegenden Weinberghügel am späten Abend erglimmten, regten sich in dem 65-jährigen Goethe sentimentale Gefühle, die er später in einem Brief so beschrieb:

[…] Da vergegenwärtigte ich mir die Freunde und die über Frankfurts Panorame so zierlich aufpunktierten Flämmchen, und zwar um so mehr, als es gerade Vollmond war, vor dessen Angesicht Liebende sich jedesmal in unverbrüchlicher Neigung gestärkt fühlen sollen.“ Johann Wolfgang von Goethe: Brief aus Weimar vom 26. Oktober 1815.

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Am Wegesrand auf dem Goethe-Spaziergang durch Frankfurt

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Auf dem Goethe-Wanderweg im Frankfurter Stadtwald

Der poetische Spaziergang wird immer wieder unterbrochen von Goethes Gedichten, die unsere Stadtführerin rezitiert. Schließlich geht weiter in Richtung Frankfurter Stadtwald. Dort befindet sich der 43 Meter hohe Goetheturm, ein Aussichtsturm von dem man angeblich die beste Sicht auf Frankfurt hat, leider ist der Turm aber zur Zeit wegen Renovierungsarbeiten gesperrt.

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Der Goetheturm im Frankfurter Stadtwald – von hier aus hat man angeblich die beste Aussicht auf Frankfurt, leider zur Zeit geschlossen wegen Renovierungsarbeiten.

 

Der Türmer
Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt,
zum Turme geschworen, gefällt mir die Welt.
Ich blick in die Ferne, ich seh in der Näh
den Mond und die Sterne, den Wald und das Reh.
So seh‘ ich in allem, die ewige Zier,
und wie mir’s gefallen, gefall ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen, was je ihr geseh’n,
es sei wie es wolle, es war doch so schön!

Goethe war Naturforscher, er unternahm gerne Spaziergänge in die Umgebung und genoss die Aussicht auf die Stadt, damals gab es noch keine Hochhaustürme, die heute charakteristsich für Frankfurt sind – das höchste Gebäude war der Kaiserdom, in dem deutsche Könige und Kaiser gekrönt wurden, was Frankfurt enorm bedeutsam in der Historie machte. An der Goetheruh ist dem Künstler am Waldrand mit einer Säule als Sitzbank ein Denkmal gesetzt, der Blick auf die Stadt hält sich aber auch hier in Grenzen. Jedenfalls sieht man hier das heute und damals:

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Blick über die Oberrader Felder – heute

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Blick auf Frankfurt – damals

Weiter geht unsere Wanderung durch den Stadtwald, über die Oberrader Felder, vorbei am Grüne Soße Denkmal und hin zur Gerbermühle, die heute ein schickes Ausflugslokal mit großem Biergarten geworden ist. Damals war die Gerbermühle der Sommersitz der Willemers außerhalb der Stadtgrenzen, idyllisch gelegen am Main, der damals noch in seiner ursprünglichen Form in schöner Natur dahinfloß, während heute der Osthafen-Industriepark gegenüberliegt.

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Frankfurt Gerbermühle – hier entstanden die poetischen Verse von Marianne von Willemer und Goethe aus dem West-östlichen Diwan, einer persischen Dichtung. Die Gerbermühle heute ist ein schickes Ausflugsziel.

Nach der Begegnung 1814 im Willemerschen Gartenhäuschen, reiste Goethe erstmal nach Weimar ab. Doch die Begegnung mit Marianne blieb für Goethe und die Literaturgeschichte der Beginn einer fruchtbaren Beziehung. Er schreibt aus Weimar, sie antwortet aus Frankfurt. Liebesgedichte werden ausgetauscht und finden sich wieder im West-östlichen Diwan. 1815 folgt Goethe der erneuten Einladung des befreundeten Barons von Willemer:

„Erholen sie sich doch bald von den Beschwerden des Winters zu Weimar an den Ufern des Mains. Sie könnten ja die Vor-Kur zu Oberrad einleiten und bei uns auf der Mühle wohnen. Platz ist genug da, und meine Frau und ich würden nie eine größere Freude empfunden haben wie die, Sie als Gastfreund bei uns zu sehen. Wenn Sie der Sonne müd sind, und der Arbeit, singt sie Ihnen von Ihren Liedern vor.“

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Marianne von Willemer

Morgens schreibt Goethe an den Versen des Diwans und blickt dabei aus der Mühle hinunter auf den Main, nach dem Mittagessen schweift er mit Marianne durch die Stadtwälder, abends liest er ihr vor und sie singt ihm Lieder, die beiden tauschen Verse aus, Liebesgedichte, 3 dieser Gedichte von Marianne finden sich im Diwan wieder. Im August feiert Goethe seinen 66. Geburtstag in der Gerbermühle – ein rauschendes Fest ganz im Stile der persischen Dichtung des west-östlichen Diwans, mit exotischen Speißen und Gästen, die in Suleika-Kostümen erscheinen. Zu damaligen Zeiten eine Sensation. Vielleicht will die heutige Gerbemühle daran anknüpfen, denn ein bisschen schiki-micki sieht man hier gern. Diese unbeschwingten Sommermonate sollten die letzte Begegnung zwischen Goethe und Marianne sein, eine erneute Reise von Weimar nach Frankfurt bricht Goethe ab, weil ihm die Achse der Kutsche bricht und er dies als schlechtes Omen deutet. Marianne kommt über diese Abfuhr nie hinweg und verfiel später in Depressionen. An der Gerbermühle endet auch der zweieinhalbstündige Goethe-Spaziergang, mein nächstes Projekt sollte es sein, den Diwan zu lesen, das hab ich selbst in meinem Literaturstudium nicht fertig gebracht und dass obwohl ich meine Abschlussarbeit über Goethe und seine Dichtung und Wahrheit geschrieben hab , aber irgendwie war das schon Ewigkeiten her…

Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube es steht ein Ginkgo-Baum neben der Gerbermühle, denn diesem hat der Dichter folgendes Gedicht gewidmet, dass er während der Zeit verfasste als er mit Marianne zusammen war. Marianne war vielleicht eine Seelenverwandte, das Blatt des Ginkgo-Baums ist einer Herzform gleich, Marianne, die Suleika im West-östlichen Diwan, war Goethes Muse vom Main.

unterwegsunddaheim.de_goethe-wanderung2.psdGinkgo biloba

Dieses Baumes Blatt,
der von Osten
einem Garten anvertraut
Gibt geheimen Sinn zu kosten
wie‘ s den Wissenden erbaut.

Ist es e i n lebendig Wesen
das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen
daß man sie als e i n e s kennt?

Solche Frage zu erwidern
fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern
daß ich e i n s und d o p p e l t bin?

(Goethe, 1815)

 

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