Zugvogeltage: Wo sich die Seehunde vor Spiekeroog sonnen
Spiekeroog ist ein Naturparadies. Genau deswegen habe ich mir diese Nordseeinsel in Ostfriesland ausgesucht. Im Herbst, wenn die Badegäste abgereist sind, strahlt die Insel eine ganz besondere Ruhe aus. Dann gehört sie wieder den Vögeln, den Seehunden, den Fischern und den Forschern vom Naturpark Wattenmeer, die im verlassenen Ostteil der Insel eine Forschungsstation haben. Mit ihnen fahre ich heute hinaus ins Watt. Mit der Spiekeroog II gehen wir auf Exkursion ins Wattenmeer, beobachten die Zugvögel und fahren zu den Seehundbänken auf der benachbarten Insel Langeroog. Jedes Jahr im Herbst machen an neun Tagen die Zugvögel aus Island und aus Skandinavien einen Stopover auf Spiekeroog und im Wattenmeer. Die letzte Rast, bis ihre Reise in den Süden weitergeht. Hier versorgen sie sich noch einmal mit der Nahrung aus der Nordsee bis es weiter geht nach Südeuropa und Afrika. Es hat mich schon immer fasziniert, dass so kleine Vögel so weit fliegen können und immer wieder den Weg zurück finden. Ganz ohne Navi.
Von Spiekeroog hinaus aufs Wattenmeer zu den Seehunden
Die Sonne strahlt an diesem Freitagnachmittag im Oktober herrlich warm vom Himmel. So milde Temperaturen seien nicht normal, sagt man mir. Ich genieße es. Langsam fährt die Fähre, die Spiekeroog II, die Fahrrinne hinaus aus dem kleinen Hafen. Am zerklüfteten Ufer tummeln sich ein paar Vögel, vermutlich hätte ich sie alle für Möwen gehalten. Aber der kleine Junge, der gegenüber von mir sitzt, zählt seiner Mutter stolz sämtliche Vogelarten auf, die er beobachtet: da ein Austernfischer, sagt er. Der Kleine weiß viel, mir hat er den Tipp gegeben mir ein Fernglas auszuleihen, bei den Mitarbeitern des Naturparks. Für zwei Euro kann man eins leihen, denn mit dem bloßen Auge ist es schwierig was zu erkennen. Tatsächlich mit dem Fernglas sieht die Welt gleich anders aus. Faszinierend.
115 verschiedene Vogelarten wurden in diesem Herbst bei den Zugvogeltagen allein auf der Insel Spiekeroog beobachtet. Spitzenreiter unter allen ostfrisieschen Nordseeinsel ist Borkum mit 136 verschiedenen Arten. Eine Art Wettbewerb unter den Inseln, schmunzelt der Nationalparkführer.
Doch das Highlight der Exkursion sind die Seehundbänke auf der Nachbarinsel Langeoog. Der Nationalparkführer verspricht uns, dass wir heute garantiert welche sehen werden und mit ein bisschen Glück auch die selteneren Kegelrobben. Und tatsächlich, da liegen sie mit ihren dicken Bäuchen im Sand und sonnen sich. Die Seehunde der Nordsee. Wie putzig sie aussehen. Langsam nähert sich die Spiekeroog II der Sandbank, doch sieh hält Abstand, um die Tiere nicht zu stören. Wir müssen alle ganz leise sein, damit die Seehunde nicht abtauchen. Durch das Fernglas kann ich sie ganz gut beobachten. Wie sie ihre runden Köpfe aus dem Wasser strecken, wie sie sich mit ihrem dicken unförmigen Leib an Land robben und zur Seite drehen, damit ihr Bauch Sonne abkriegt. Wie putzig sie sind. Zu hunderten tummeln sie sich auf der Sandbank auf Langeoog.
Sie haben Junge. Im Gegensatz zu Kegelrobben kommen die kleinen Seehunde direkt mit ihrem Schwimmfell auf die Welt, erklärt uns der Nationalparkführer. Sie werden gleich nach der Geburt ins kalte Wasser geschubst, während die Kegelrobben mit dem weißen Flaum auf die Welt kommen, der sie so süß macht. Noch nie habe ich Seehunde so nah in freier Wildbahn gesehen. Ich bin total entzückt von den putzigen Kerlchen, die ihr Köpfchen aus dem Wasser strecken. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass man hier im Sommer baden kann, während vielleicht ein Seehund an einem vorbei schwimmt. Im Sommer brüten die Tiere, jetzt im Herbst müssen sie so fit sein, dass sie mit auf die Fischjagd gehen können. Sie brauchen eine ordentliche Fettschicht, um zu überleben.
Leider habe ich kein Weitwinkelobjektiv dabei, um näher an die Tiere heranzuzoomen. Trotzdem war dieser Naturbeobachtungs-Ausflug ein tolles Erlebnis für mich. Auch die Kinder auf der Fähre scheinen alle total begeistert zu sein. Ein bisschen wünschte ich mir ja so ein Zugvogel zu sein, um erstmal ein paar Monate in mein südliches Winterquartier zu fliegen.
Hinweise zur Erkundung des UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer:
Die Natur im UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer ist einzigartig. Wer sich hier bewegt, ist entzückt und lernt die Natur zu schätzen und zu respektieren. Daher haben die Nationalparkführer auf folgende Punkte hingewiesen, die ich gerne weiter geben möchte:
- Halten Sie Abstand von den Tieren, um sie nicht zu stören
- Füttern Sie keine Tiere
- Schrecken Sie keine Tiere oder Vögel auf, denn sie brauchen ihre Kraftreserven für den langen Flug nach Afrika
- Gehen Sie nicht abseits der Wege durch Dünen und Salzwiesen
Vielen Dank ans Reiseland Niedersachsen für die Unterstützung dieser Recherchereise.