Ich glaube ich hatte das Reisefieber schon als Kind. Ich konnte mit 10 Monaten laufen, weil ich so neugierig auf die Welt war. Von da an lief ich. Und zwar am liebsten meinem Vater davon. Der lief mir hinterher und sammelte mich ein paar Häuserblocks weiter wieder ein. Ich weiß nicht, ob es der Drang war, mir die Welt fern von meinem eigenen kleinen Radius anzusehen, der mich als Kind antrieb oder das Gefühl, dass mich mein Vater fern von meinem eigenen kleinen Kosmos wiederfand, einsammelte und zurück nachhause brachte. Vielleicht beides. Und das ließe sich wieder so gut zu einem stimmigen Kreis schließen, denn heute weiß ich, dass ich sowohl das unterwegs sein als auch das daheim ankommen brauche. Wie seltsam, dass Jahre später genau das das Motto meines Blogs wurde: unterwegs & daheim.

unterwegs & daheim – ein Lebensmotto?

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Ich könnte nie eine dauerhafte Reisende, eine Weltenbummlerin oder Nomadin sein. Zwar habe ich fast nie Heimweh, wenn ich unterwegs bin, aber ich stehe dann auch unter Dauerstrom wie ein zugedröhnter Junkie. Das kann anstrengend sein. Was fehlt ist das Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit von daheim. Es fehlt mir, in meinem eigenen kuscheligen Bett zu schlafen, mein eigenes Essen zu kochen und mich abends aufs Sofa zu legen und stupide Dinge in der Glotze anzuschauen. Mir fehlen die schönen Dinge, die man so im Laufe eines Lebens ansammelt, wie z.B. meine eigenen Möbel, die meinen Lifestyle, meine Persönlichkeit, repräsentieren. Daher wäre es nichts für mich zu sagen, ich könnte nur aus einem Rucksack leben und zwar für immer, wie es grade bei manchen Reisenden so in Mode ist. Ich weiß zwar, dass ich das könnte, sehr gut sogar, aber wozu sollte ich das denn tun? Meine Familie würde mir am meisten fehlen, wenn ich nur unterwegs wäre und mir würde auch die deutsche Kultur fehlen, wenn ich zulange in einem anderen Land bin. Das ist mir zum ersten Mal in China bewusst geworden. Die Chinesen haben die Deutschen für alles verehrt für ihre Kultur, ihre Philosophen, ihre Architekten, ihre Ingenieure. Ich musste nach China reisen, um zu erfahren, wie toll und geistreich Deutschland eigentlich ist. Aber ich habe auch die deutsche Literatur, Sprache und sogar die Musik vermisst. Und vor allem die Ordnung und Sauberkeit, die Tatsache, dass die Dinge einfach funktionieren und das es für alles eine Lösung gibt oder eine Krankenversicherung. Alles Dinge, die mich über Jahre hinweg geprägt haben, ohne das es mir bewusst gewesen wäre. Alles Dinge, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie vermissen würde. Andererseits könnte ich nicht mehr auf das Reisen verzichten. Wenn ich länger als vier Wochen daheim bin, werde ich ganz kribbelig und muss irgendwo hin, irgendwas erleben. Ich bin noch immer neugierig auf die Welt und diese Neugier wird nicht versiegen. Es ist eben wie bei einem Junkie, Reisen macht süchtig, eine Bookinglist wird anstatt kleiner immer größer, man braucht Nachschub sobald die Droge Reisen ihre Wirkung verliert. Unterwegs sein und daheim verwurzelt sein, sind zwei Dinge, die sich nicht gegeneinader ausspielen sondern sich ergänzen. Ich für meinen Teil, ziehe viel Energie aus meinen Reisen, lerne und sehe neue Dinge, die mir Inspiration und Tiefe für daheim mitgeben. Daheim tanke ich Kraft für neue Abenteuer.

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Wie Ängste einem den Weg versperren

Elbsandsteingebirge - Bastei - Schwedenlöcher

Doch erst seit ich diesen Reiseblog habe, reise ich regelmässig und auch alleine, wenn es sein muss. Das neugierige Mädchen, das einfach in die Welt hineinstapfte mit dem Vertrauen, wieder heil daheim anzukommen, ging in den Jahren zwischen meinem Erwachsenwerden irgendwo verloren. Obwohl meine Eltern und insbesondere mein Vater, mich immer wieder ermutigt haben, alleine zu reisen, hatte ich irgendwann Angst davor bekommen meinen Weg zu gehen, hinaus in die Welt, alleine. Es ist wie mit dem Skifahren: als Kind hat man vor nichts Angst, stellt sich auf die Bretter und rast den Berg hinunter. Dann vergisst man seine Furchtlosigkeit irgendwann und es schleicht sich die Angst in den Kopf, weil man weiß, was alles passieren könnte. Die Leichtigkeit ging irgendwann in den Jahren verloren und fährt mit Angst den Berg hinunter und durchs Leben. So ist das auch mit dem Reisen gewesen. Ich reiste viele Jahre nicht, aber die Sehnsucht danach war unerträglich. Ich war unglücklich, weil ich sie nicht stillen konnte.

Irgendwann einmal werde ich….

Mädels Wellness Wochenende im Wellness & Spa Hotel Esplanade am Scharmützelsee

Dann kam die Wende. Meine Eltern hatten sich einen langen Traum erfüllt, sie buchten eine Kreuzfahrt durch die Norwegischen Fjorde. Schon lange wollten sie das mal machen. 2 Wochen vor Beginn der Reise ist mein Vater gestorben. Mit 61 Jahren. Ein Mann, der voll im Leben stand und plötzlich einfach keines mehr hatte. Meine Eltern hatten noch so viele gemeinsame Pläne, sie wollten noch so viel zusammen erleben, durch Europa reisen mit einem Camper oder so. Ich muss mich bei meiner Mutter entschuldigen, die das jetzt liest und vermutlich nicht will, dass ich das schreibe. Aber es ist auch die Geschichte, die mein Leben verändert hatte. Ich wollte nicht wie mein Vater, mein ganzes Leben lang nur arbeiten, um dann irgendwann einfach von dieser Welt zu gehen. Ich meine, ich weiß nicht, wann und wie ich sterben werde, aber ich wollte nicht länger Zeit damit verschwenden unglücklich zu sein und meine Träume aufzuschieben. Zumindest die Dinge, die ich selbst in der Hand hatte, wollte ich ändern, um meinem Leben mehr Tiefe zu geben und mir das Gefühl, wenn ich einmal gehen werde, wenigstens das Beste draus gemacht zu haben, was mir möglich war.

Nutze dieses eine Leben, um das zu tun, was du gerne tust

Seitdem nutze ich kontinuierlich jeden meiner Urlaubstage zum Reisen. Kein einziger Tag davon, den ich sinnlos vertrödele. Jedes Jahr versuche ich eine Reise zu machen, die ich schon immer einmal machen wollte. Seitdem gibt es auch diesen Reiseblog unterwegs & daheim. Denn ich fragte mich, was ist es, das mich wirklich glücklich und zufrieden macht? Meine frühesten Kindheitserinnerungen poppten wieder hoch und die Antwort kam prompt: reisen und schreiben. Das waren die zwei Dinge, die ich schon immer tun wollte, die mich schon immer erfüllten und glücklich machten. Drei Monate nach dem Tod meines Vaters ging mein Reiseblog online und bis heute finde ich darin Erfüllung. Es hat mich immer beschämt, dass ausgerechnet so ein tragisches Ereignis für mich eine Wende bedeutete, es war wie ein Türöffner für mich, wie Schuppen von den Augen fiel die Erkenntnis: nutze dieses eine Leben, um das zu tun, was du gerne tust. Früher hatte ich immer die Vorstellung irgendwann einmal, werde sich alles so regeln, wie ich es mir erträumt hatte. Heute habe ich die Wörter „irgendwann einmal“ aus meinem Wortschatz verbannt. Irgendwann einmal gibt es vielleicht nicht. Deswegen sollte man nichts was einem wichtig ist auf die lange Bank schieben. Das ist nicht immer möglich und auch nicht mit all meinen Träumen machbar, aber zumindest mit denen, die ich selbst in der Hand habe, da kann ich viel verändern. Das ist alles was ich tun kann, für mich und es reicht. Man muss nicht überall hinreisen, man muss nicht alles gesehen haben, aber man muss zumindest versucht haben, das bestmögliche aus seinem Leben herauszuholen. Alte Menschen bereuen am allermeisten die Dinge im Leben, die sie nicht gemacht haben, anstatt die Dinge, die sie gemacht haben. Es sind die verpassten Chancen im Leben, die uns am Ende mehr wehtun, als Dinge die man einfach ausprobiert.

Entweder oder? Wie falsche Denksätze einem den Weg versperren

unterwegsunddaheim.de Bodensee Tipps

Mein Bruder sagt immer zu mir: „wo du schon überall warst…. Ich habe mich eben für Familie entschieden“.  Als sei es eine Entscheidung für Familie und gegen das Reisen. Eine entweder oder Entscheidung. Ich lasse das nicht gelten. Es ist oft einfacher, vor seinen Träumen davon zu laufen, als sich darauf zu konzentrieren, wie man diese konkret verwirklichen kann. Meike Winnemuth hat in ihrem Buch: „Das große Los“, das ich nur jedem empfehlen kann, der seinen eigenen Weg sucht, geschrieben, dass sie immer geglaubt habe, sie müsse sich zwischen einem entweder oder entscheiden. So geht es warhscheinlich vielen Menschen, auch mir. Ich habe immer geglaubt, man müsse sich für einen Lebensweg entscheiden und einen anderen dafür ad acta legen. Für Karriere, gegen Kinder. Für Kinder, gegen Karriere. Für Reisen, gegen Familie. Für Familie gegen Reisen usw. Meike Winnemuth weiß gar nicht, wie sie mit diesem Satz mein Leben verändert hat, denn mit dieser Erkenntnis fiel so viel Druck ab. Es muss kein entweder oder geben, wenn man beides haben kann. Das einzige was man tun sollte, ist, sich darauf zu konzentrieren, wie man das bekommt, was man wirklich will. Manchmal sind es leider schwere Schicksalschläge, die einem die Augen öffnen, aber so ist das Leben nunmal.

 

 

Im Andenken an meinen Vater, der heute vor 5 Jahren von uns ging und fehlt.

 

Buchtipp:

Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr

Meike Winnemuth: Die Journalistin Meike Winnemuth gewinnt bei Günther Jauch 500.000 Euro und begibt sich auf Weltreise. Vor ihr liegen 12 Monate, die sie in unterschiedlichen Städten verbringt. Immer in einem Apartement. Was das Reisen mit ihr macht, ob sie eine Stadt verändert und wie es sich anfühlt, plötzlich das Leben zu leben, von dem man schon immer träumte, das beschreibt Frau Winnemuth in schöner Sprache, die zum Nachdenken anregt. Wenn man das Leben als Reise versteht, dann ist es auch ein Lebensratgeber.

Top-Empfehlung für Leser und Reisende, die ihr Leben endlich leben wollen.

Buch bei Amazon: Das große Los