Oben thront sie, die Wartburg, auf dem Berg, zwischen den Baumwipfeln des Thüringer Waldes, die wie traurige Ruten in den graubehangenen Winterhimmel hinein schauen. Die Nebelschwarten liegen unten im Tal, es hat geschneit in der Nacht. „Halt! Wegezoll“, ruft mir ein Ritter zu als ich vom Parkplatz den matschigen Weg zur Burg hinaufschnaufe. Wer die Wartburg in der Adventszeit besucht, macht eine Zeitreise ins Mittelalter, zu der Zeit als Ritter und edle Burgfräuleins auf der Burg lebten und Händler und Gaukler, Handwerker und Narren sich im Burghof umhertrieben. Über den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt habe ich bereits berichtet. Doch die Wartburg hat mehr zu bieten: Für die Heilige Elisabeth war sie Wohnsitz, für Martin Luther ein Versteck, für Goethe ein romantischer Ort, den es zu schützen galt und König Ludwig II. von Bayern nahm die Wartburg als Vorbild für sein Märchenschloss Neuschwanstein.
Wartburg: Ritterbad und Kemenate der Heiligen Elisabeth
Dabei glich die Burg zu Goethes Zeit eher einer Burgruine. Heute betrete ich den Burghof über die Zugbrücke. Außen herum schützt die Burg eine Ringmauer aus dem 12. Jahrhundert – der Blütezeit der Wartburg. Erbaut wurde sie schon im 11. Jahrhundert von den Ludowingern. Jedenfalls galt sie als Hauptsitz der Landgrafen von Thüringen und wurde unter Elisabeths von Thüringens Mann Ludwig zum Wohnsitz ausgebaut. Elisabeth war die Königstochter von Ungarn, heiratete den Thüringer Landgraf mit 14 Jahren, gebar ihm drei Kinder und begleitete ihn auf seinen Reisen. Nachdem ihr Mann im Kreuzzug fiel, versagte sich Elisabeth gänzlich allem Weltlichen, vergab ihren Besitz an die Armen und kümmerte sich persönlich um Kranke. Das brachte ihr später die Heiligsprechung ein. Das erfährt man jedenfalls wenn man die lohnenswerte Führung durch das UNESCO Weltkulturerbe Wartburg macht. Tatsächlich war die Heilige Elisabeth ein armes einsames Mädchen, das sich der brutalen mittelalterlichen Welt entziehen wollte, zu sensibel für die Welt, um zu akzeptieren, dass ihr Dasein nur an der Höhe ihrer Mitgift gemessen wurde, so wie es damals so war. Heute wäre sie wohl eine Kandidatin für den Psychotherapeuten, damals sprach man sie heilig und so kam die Wartburg zu einer Heiligenlegende. Aber eines ist wirklich beträchtlich die Kemenate der Heiligen Elisabeth gehört zu den schönsten Kemenaten deutscher Burgen – und da hab ich schon ein paar gesehen. Im Innern der Räumlichkeiten bekommen Besucher exzellente Einblicke ins höfische Leben des Mittelalters: Wandmalereien wurden in jahrelanger Restauration zutage gebracht. Die Führung beginnt unten, im Römerbad – auch so eine Besonderheit an der Wartburg, noch nie habe ich ein Bad in einer Burg gesehen.
Der Streit der Minnesänger auf der Wartburg
Zur gleichen Zeit dürften berühmte Minnesänger wie Wolfram von Eschenbach, das war der mit dem Parzival und Walther von der Vogelweide (das war der mit „unter den Linden“) hier ihre romantischen Lieder gesungen haben, Liebeslieder im dunkelsten Mittelalter, man stelle sich das vor. Welcher Minnesänger sang am schönsten? Ein Wettstreit unter den Sängern der deutschen Urdichtung entbrannte, der Verlierer sollte mit dem Tod bestraft werden. Damals, 1206, galt die Wartburg schon als Zentrum geistiger Hochkultur, ein weiterer Beweis dafür, weshalb die Wartburg als deutscheste aller Burgen gelten soll.
Martin Luther im Exil auf der Wartburg
Dann kam der berühmteste Bewohner der Wartburg, Martin Luther. Unter dem Pseudonym „Junker Jörg“ suchte er auf der Wartburg Schutz. Der Ketzer und Reformator galt als vogelfrei und wurde vom Papst und vom Kaiser geächtet. Er bewohnte auf der Wartburg ein spartanisches Zimmer, noch heute die Lutherstube genannt. Ein bisschen abgelegen von den repräsentativen Burgzimmern der adligen Bewohner, ein bisschen zugiger dürfte es in der Kammer gewesen sein. Ein Kachelofen und ein Holztisch zeigen das Zimmer, in dem Martin Luther auf der Wartburg gewohnt hat. In dieser Kammer hat er in nur 10 Monaten das Neue Testament vom Alt-Griechischen ins Deutsche übersetzt und damit den einfachen, ungebildeten Bürgern den Zugang zu der Heiligen Schrift gewährt. Das war die Reformation, der Beginn der Neuzeit, im Frühjahr 1522. Luthers Kritik an der Katholischen Kirche erlaubten ihm die Heirat mit Katharina von Grotha. In der Cranach Ausstellung im Burgmuseum finden Besucher Porträts der beiden. Und außerdem noch Ritterrüstungen, Handschriften, die Bibel, und einiges an Mobiliar und Geschirr von den Bewohnern der Wartburg jener Zeit.
Deutsche Einigung auf der Wartburg und nationales Erbe
Nach Luther war lange Ruhe auf der Wartburg, bis die Studenten im 19. Jahrhundert kamen, sich dort versammelten, bei den Wartburgfesten. Das Resultat aus diesen Vereinigungen war der Beschluss, dass Deutschland vereint werden solle. Auch das ein Beweis dafür, dass die Wartburg die deutscheste aller Burgen in unserem Lande sein soll, ein nationales Relikt, das es zu schützen und zu bewahren gilt. Dieser Meinung war schon Goethe als er 1777 erstmals auf der Wartburg war. Er interessierte sich für die Geschichte der Burg, erforschte das Wetter und fand die Landschaft im Thüringer Wald reizvoll. Er setzte sich dafür ein, die Burg zu erhalten, wiederaufzubauen und ein Museum zu errichten, in Weimar ließ er einen Verwalter bestellen, der sich der Burg annehmen sollte.
Im Laufe der Jahrhunderte gingen Persönlichkeiten ein und aus, die Wartburg verfiel, wurde zerstört und wieder aufgebaut. Heute steht sie unter dem Schutz der UNESCO, die ihr den Titel Welterbe 1999 verliehen hat. Man sollte diese Burg einmal im Leben besucht haben, um Deutschland zu verstehen. Soviel kulturelles Leben und Geschichte steckt in diesen Mauern, soviel Kunst in ihrem innersten Kern.
übernachten in Eisenach
Anreise am besten mit der Deutschen Bahn:
Reiseführer für Thüringen:
MARCO POLO Reiseführer Thüringen*
Öffnungszeiten: April bis Oktober: 8:30 bis 17:00 Uhr, Schließung Burgtor: 20:00 Uhr, November bis März: 9:00 bis 15:30 Uhr, Schließung Burgtor: 17:00 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene mit Führung: 9 Euro, Schüler und Studenten mit Führung: 5 Euro
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