Heimat, I miss you!

unterwegsunddaheim.de-heimat2Heimat I miss you. Ich lebe seit vielen Jahren in einer Großstadt, Frankfurt am Main, fern von dir, Heimat. Warum, das weiß ich nicht mehr. Aus irgendwelchen Gründen hat mich mein Leben von dir fortgetrieben. Ich habe es zugelassen. Und ich gebe es ja zu, ich wollte deiner Enge entfliehen, die mich als junge Frau zu ersticken drohte. Denn du hast für junge Menschen, die wie ich schon immer eine große Neugier auf die Welt verspürten, nicht viel zu bieten, außer deiner unglaublichen Stille. Gerade diese Stille drohte mich damals zu ersticken und heute, heute ist es genau diese Stille, die ich am meisten herbeisehne.

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In Wahrheit bin ich nie von dir losgekommen. Wenn ich länger als vier Wochen nicht mehr zuhause war, dann werde ich nervös, dann habe ich diese drängende Sehnsucht, die mir ständig ins Ohr schreit: Heimat, I miss you. Dann steige ich in den Zug, um so schnell wie möglich bei dir zu sein. Und wenn der Zug dann in den Hauptbahnhof von Stuttgart einfährt und ich die grünen Hänge mit den Villen an der Weinsteige und am Killesberg sehe, dann hüpft mein Herz und manchmal steigen mir Tränen in die Augen, weil die ganzen Erinnerungen an frühere Zeiten in mir aufsteigen und mich ganz durcheinander bringen. Ich steige dann um, in die Regionalbahn, sie fährt mich hinaus aufs Land. Hier spricht keiner mehr Hochdeutsch, außer mir und ich denke oh mein Gott, wie kann man denn nur so reden und dann denke ich, oh mein gott, ich hab auch mal so geredet, wie schrecklich. Für jemand, der aus Frankfurt kommt, wo alles ein bisschen schicker ist als anderswo, hört sich jeglicher Dialekt dumm an. Doch dann fahre ich hinaus, in das grüne Tal, meiner Heimat. Und dann fällt die ganze Anspannung von mir ab und ich weiß, ich bin daheim. Ich weiß, dass wenn ich daheim bin, meinen Koffer in mein Dachzimmer stellen werde, dass immer noch gleich aussieht wie früher. Ich weiß, dass Mutter mir extra richtige Brezeln gekauft hat, weil es die nur daheim gibt und ich weiß, dass egal was passiert, mir nichts mehr passieren kann, weil ich daheim bin, da wo ich herkomme, da wo ich hingehöre. Und ich merke es nicht mehr, dass auch ich hier anders spreche als in Frankfurt, dass ich mich anders anziehe, ja noch nicht mal Make-up benutze. Wen interessiert das, wenn man eins ist mit seiner Umgebung? Was Heimat ist, das weiß man erst, wenn man fortgegangen ist. Und egal wie lange man fortgegangen ist, in Wahrheit kann man dem Ort, den man Heimat nennt, niemals entfliehen. Und je länger man weg ist und je mehr Orte man auf dieser Welt besucht hat, desto mehr sehnt man sich an den einen zurück. An den Ort, wo alles so ist, wie es schon immer war.

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Wie früher streife ich durch deine grünen Wälder, deine Wiesen, deine grünen Hügel mit den blühenden Obstbäumen. Es sind die Äpfel. Die Kirschen sind schon längst vorbei. Als Landkind weiß man das. Man kennt jeden Baum. Man weiß, dass die Löcher im Wald Dachs- und Fuchsbauten sind und die Spuren von Wildschweinen. So was weiß man als Stadtkind bestimmt nicht. Es ist so unglaublich still bei dir in der Heimat. Diese Stille ist Balsam für meine Seele. Keiner daheim versteht das. Sie wissen ja auch nicht wie es ist, in der Großstadt, wenn Tag und Nacht Geräusche um einen sind, Tatütata rund um die Uhr, wenn der Nachbar im Drogenrausch mal wieder die ganze Nacht durchbrüllt und sie wissen nicht wie erfrischend es ist, die gute Landluft einzuatmen, wo ich in der Stadt nur Abgase einatme. All das, das weiß ich auch erst seit Kurzem. Es hat ein paar Jahre gebraucht, bis es mir aufgefallen ist, aber jetzt, Heimat, jetzt weiß ich all das zu schätzen, was du mir damals ins Unterbewusstsein eingeprägt hast. Und während ich durch deine Wiesen streife, sehe ich all deine Schönheit, deine Reinheit, deine Unschuld wie ich es nie zuvor gesehen habe. Es ist Frühling und es daheim fühlt sich das wie eine gewaltige Explosion an. Alles blüht. Alles ist grün. So unglaublich grün. Ein Stadtmensch würde mich für verrückt erklären, die Menschen daheim auch, denn es ist normal für sie, aber sie würden nicht wie ich von da wegggehen. Ich freue mich an dem gelben Löwenzahn, an dem gelben Hahnenfuß, an den Quittenblüten und an den Apfelblüten, ich freue mich über die Weite, wenn ich über deine grünen Täler blicke und über die Luft. Hier auf dem Land, da spürt man den Wechsel der Jahreszeiten noch. In der Stadt nicht. Man isst nicht regionales Gemüse sondern thailändisch oder indisch, manchmal italienisch. Das ganze Jahr über. Es hängt mir so zum Hals raus. Wie gerne würde ich mal wieder deine Gerichte essen: Sauerkraut oder Linsen mit Spätzle. In der Stadt geht all das an einem vorbei.

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Am Ende des Wochenendes werde ich wieder nervös. Ich weiß, dass der Abschied wieder kommen wird. Ich weiß, dass ich niemals wieder hier leben könnte, weil ich zusehr Stadtmensch geworden bin ohne es je richtig zu sein. Jedes Mal denke ich, kann ich nicht noch länger bleiben? Jedes Mal zerrt die selbe Sehnsucht, die mich einst fortgetragen hat, aufs Neue an mir. Und ich denke noch bevor ich wieder in meinen Zug einsteige: Heimat, I miss you.