Macht alleine reisen einsam? – eine Frage, die mir aktuell durch den Kopf geht und mich würde interessieren, wie eure Meinungen dazu sind. Über das alleine reisen und die liebe Einsamkeit wurde schon viel berichtet: wie ist es auf Reisen mit der Einsamkeit? die einen zelebrieren sie, die anderen meiden sie. Einsamkeit auf Reisen ist das eine, aber was mich momentan gedanklich mehr interessiert, ist, was macht das alleine reisen mit einem? Macht alleine reisen einsam, wenn man dauerhaft alleine unterwegs ist?

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Alleine reisen macht stark und unabhängig.

Man lernt niemanden zu brauchen.

Es gibt viele Backpacker und Langzeitreisende, die für das alleine reisen plädieren als wäre es das nonplus ultra, die Erleuchtung und der Weg, um dich selbst zu finden. All das mag stimmen. Schließlich habe ich das alles auch schon erfahren und als durchaus positiv erlebt. Alleine reisen macht stark und unabhängig. Man lernt, seine Ängste zu besiegen, man lernt alleine klar zu kommen, sich fremden Situationen und Kulturen anzupassen, auf Gegebenheiten zu reagieren, Lösungen zu finden, mit Konflikten umzugehen und man lernt auch, niemanden zu brauchen. All die positiven Dinge des Alleinereisens finde ich wichtig und kann nur jeden ermutigen, dies für sich einmal zu erfahren.

Macht alleine reisen einsam, weil man lieber alleine ist als in Gesellschaft?

Mir persönlich macht es heute nicht mehr viel aus alleine zu verreisen. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da bin ich überhaupt gar nicht gereist, weil ich nicht alleine reisen wollte und niemanden fand, der meine ausgeprägte Reiseleidenschaft mit mir teilte. Ich wollte auch nie Backpacker sein, mit Rucksack durch exotische Länder ziehen und oberflächliche Bekanntschaften in allen möglichen Orten der Welt knüpfen. Das würde mich sehr unglücklich machen und es wäre mir zu anstrengend, immer wieder die gleichen Gespräche zu führen: wo kommst du her? wo gehst du hin? Mir ging es beim Reisen immer nur darum, meine Erlebnisse mit Menschen zu teilen, die mir wichtig sind und die bleiben, länger als eine Nacht in einem Hostel. Zumal ich nie der Hostel-Typ war. Mein Wunsch war es immer, mit Menschen zu verreisen, mit denen man Dinge gemeinsam erlebt, zusammen lacht, zusammen plant, zusammen durch die Welt geht. Aber die Wahrheit ist, es gibt nur wenige Menschen, mit denen ich tatsächlich zusammen verreisen kann und will.

Es gibt nur wenige Menschen,

mit denen ich reisen will.

Ich reise manchmal gerne alleine. Mittlerweile ziehe ich das sogar manchmal vor, weil ich meine eigenen Entdeckungen machen möchte, keine Kompromisse mehr eingehen will, weil ich in meinem eigenen Tempo durch eine Stadt gehen will und weil ich mein Hotelzimmer nicht gerne mit jemanden teile. Ich buche jetzt immer, auch wenn es teurer ist, ein Einzelzimmer. Es war für mich schon immer eine komische Vorstellung eine Nacht mit jemanden in einem Bett oder Zimmer zu schlafen, der nicht mein Partner ist. Nun frage ich mich, ob das nicht schon der Weg zum Eigenbrödler ist. Bin ich schon irgendwie schrullig geworden? hat mich das viele alleine reisen noch mehr dazu veranlasst, mich von anderen Menschen zu distanzieren und mich zu arrangieren?

Auf der anderen Seite wünsche ich mir sehr, jemanden, mit dem ich gemeinsam die Welt entdecken kann, meine Eindrücke mit jemanden zu teilen, der die gleichen Dinge schätzt: das gute Essen im Restaurant, den Sand unter den Füßen, die Farbe des Blaus im Meer und am Himmel oder den Cocktail in der Bar. Manchmal reise ich mit meiner Mutter. Mit meiner Mutter sitze ich auf Reisen mehr in Straßencafés, trinke Kaffee und esse Kuchen oder wir trinken ein Gläschen Wein hier und eins da. Alleine mache ich das weniger und das ist schade, denn es ist das was das Leben schön macht. Meine Mutter zeigt mir dann, dass es gerade darauf ankommt, Pause zu machen, zu genießen anstatt von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu hetzen. Manchmal tut es gut, dass einem jemand was anderes zeigt.

Manchmal tut es gut,

wenn jemand einem was anderes zeigt.

Wer mich fragt, ob alleine reisen nicht einsam sei, dem sage ich, ich habe mich dran gewöhnt. Und das ist so. Morgen fliege ich alleine nach Stockholm, gehe auf eine Fähre und reise nach Helsinki und Tallinn, alles alleine. Im Juni fliege ich nach Tansania, Afrika, alleine. Die Tansania-Reise ist ein langer Traum und ich habe ihn mir nie erfüllt, weil ich auf jemanden gewartet habe, der mit mir gemeinsam diesen Traum erlebt. Weil ich 10 Jahre nach solchen Reisen noch immer gerne die Fotos anschaue und dann wäre es halt schön, wenn jemand sagen würde: „ach ja, damals, das war super in Tansania, als wir vor den Elefanten standen und weißt du noch die albernen Safarigäste, die dabei waren?“ Nun reise ich alleine, weil meine Lebenszeit immer mehr dahinschwindet, von Tag zu Tag weniger wird und ich mir am Ende meines Lebens nicht sagen will, ich habe all das nicht erlebt. Wenigstens habe ich das jetzt kapiert, es hat Jahre und ein paar schwere Schicksalschläge gedauert, um das zu kapieren.

I wish the one and only would sit next to me and looking forward with me in a bright future.

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Macht alleine reisen einsam, weil andere damit nicht klar kommen?

Aber ich frage mich, ob man sich verändert, wenn man immer alleine reist. Wird man ein Eigenbrödler? Kann man nur noch mit sich selber gut klarkommen und sonst mit niemanden mehr? Wird man unfähig sich auf andere Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse einzulassen? Backpacker schreiben nix darüber. Aber ich bin mir sicher, dass es einen verändert. Und nicht nur selber ändert man sich, auch das Umfeld verändert sich. Bekannte fragen mich jetzt nur noch „und wo geht`s als nächstes hin?“ oder sie sagen „du bist ja ständig unterwegs“, und so fängt es an, dass man sich langsam aus dem Umfeld löst, man wird vergessen. Man wird weniger gefragt ob man am Wochenende verfügbar ist, da man davon ausgeht, die ist eh wieder irgendwo unterwegs. Man wird nur noch als Reisende wahrgenommen, obwohl man doch noch soviel mehr ist, soviele andere Interessen hat. Und Männer, die mögen keine Frauen, die ständig unterwegs sind, aber mitkommen wollen sie irgendwie auch nicht. Manchmal ertappe ich mich, das mit dem Reisen zu verschweigen, weil ich mir denke, andere können damit einfach nichts anfangen, es nicht verstehen oder aber sie werden neidisch, obwohl es dafür ja eigentlich keinen Grund gibt. Menschen neigen dazu neidisch zu sein, oder sie bekommen es nicht gerne vor Augen gehalten, wenn jemand die Frechheit besitzt und einfach alleine loszieht, wo man sich das selber nicht trauen würde. Oft sind es genau diejenigen, die zu mir sagen, das sei nix für sie (ob reisen oder das mit meiner Wohnung) und die mir irgendwann später stolz erzählen, was sie alles jetzt alleine geleistet haben als müssten sie sich dann beweisen (dieses Verhalten ist überwiegend in meinem männlichen Bekanntenkreis zu beobachten).

Macht alleine reisen einsam, weil Gesellschaft anstrengend wird?

Und so sitze ich dann vor dem Computer und schreibe Reiseberichte an Samstagabenden, während normale Leute gesellig beieinander sitzen. Das ist verrückt. Aber ich bin selber schuld dran, denn ich brauche auch meine Ruhe, um mich von der Arbeit und von den Reisen zu erholen. Dann auch noch ständig Leute treffen, um Kontakte zu knüpfen? Ich ertappe mich jetzt oft dabei wie ich denke, ich will lieber einen Reisebericht schreiben als mich mit Leuten zu treffen. Ein weiterer Schritt zur Einsiedelei? Ist das schon krank und asozial? Früher hätte es das bei mir nicht gegeben. Ich hätte das gesellige Beisammensein am Samstagabend mit Freunden immer allem anderen vorgezogen. Doch damals bin ich nicht gereist. Und ich frage mich wieder: macht das alleine reisen einsam? Werde ich vielleicht irgendwann so eine schrullige alte Tante, die an allem rummotzt?

Macht alleine reisen einsam, weil man sich zu sehr daran gewöhnt hat?

Ich frage mich nun: macht alleine reisen einsam und führt dazu, dass man sich von den Menschen immer weiter entfernt und in Gesellschaft mit anderen schneller überfordert ist, weil  man es nicht mehr gewohnt ist. Weil man im ständigen alleine reisen, ständig auf sich konzentriert ist und somit die Fähigkeit abhanden kommt, sich auf andere einzustellen? Ich beobachte mich ständig selber und merke wie mich Geräuschkulissen zunehmend stressen, Menschenmengen sind unerträglich für mich geworden, Körperkontakte mit Fremden sind mir unangenehm, belanglose Gespräche nerven mich, permanente Vorträge von Selbstdarstellern langweilen mich. Ich fühle mich dann oft wie erschlagen.

Wird man zum Egomane, wenn man sich ständig nur auf sich selbst konzentriert? Verliert man das Gespür für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen? Verliert man die Fähigkeit sich auf andere einzulassen? All das glaube ich zwar nicht wirklich, denn dazu gibt es auch immer noch genug Anlässe für mich, in denen ich mich in Gesellschaft anderer sehr wohl fühle und es genieße, z.B. gesellige Abende mit Bekannten oder ein Wochenende daheim bei meiner Familie oder Bloggerreisen mit anderen Bloggern. Ich glaube, dass man sich auch sehr schnell wieder an Gesellschaft beim Reisen gewöhnt, solange man sich gut versteht, solange es die „richtige“ Gesellschaft ist und man zusammen Spaß hat, denn dann stören Kleinigkeiten auch nicht und es überwiegen die schönen Momente zusammen. Dennoch wollte ich über dieses Thema einmal reflektieren und mich würde interessieren, wie ihr darüber denkt? Habt ihr eventuell ähnliche Gedanken oder Erfahrungen mit dem alleine reisen gemacht?